Fast jedes Jahr besuche ich Weihnachten meine Schwester in Travemünde, die seit 1975 in Deutschland wohnt. Ihre vier Töchter sind jetzt erwachsen, und zwei davon waren Schüler der Travemünder Realschule. Alle haben gute Erinnerungen an Weihnachtsspiele.
Seit 1990 folge ich die Vorstellungen an der Travemünder Realschule – jetzt Schule am Meer. Kirsten Frey komponiert, schreibt, adaptiert, führt Regie und produziert Vorstellungen mit Schülern. Selber war ich in den Niederlanden längere Zeit Dramalehrer an mehreren Schulen. 1982 schrieb ich ´Stell dich mal vor´, ein Dramalehrbuch für Realschulen, dann schrieb ich Theaterkritik und Artikel über Theater, und ich war 2004 ´Vater´ des Hörspieladventkalenders vom Offenen Kanal Lübeck.
Weihnachtszeit und Abschlussfeier: jedes Jahr anstrengende aber spaßmachende Zeiten für Dramalehrer. Nervöse Lehrlinge, eigentlich zu kurze Probezeiten, Musik, Bühnenbild, usw. 1990 sah ich meine älteste Nichte Babette Schmidt bei ´Wintertime´. Kirsten Freys erste große Produktion, ich machte für sie Videoaufnahmen davon und gab ihr einige Regieanweisungen. Babette spielte Blockflöte. Später war es Querflöte bei der Bearbeitung von Charles Dickens´ ´Christmas Carol´ und bei Kirsten Freys ´Roggenbuk´, ein Musical in Plattdeutsch. Die Uraufführung fand statt in der Aula der Stadtschule in die Torstraße, aber die Vorstellung war auch mit viel Erfolg zu sehen im Lübecker Theater.
- Babette Schmidt ist jetzt Lehrerin Musik und Englisch an einer Gemeinschaftsschule in Kiel. Vorbild für sie war Frau Frey die ihre Liebe für Kunst und Talente stimuliert hat, ´wie es einem Lehrer gehört´.
Bibiane Schmidt, meine dritte Nichte, war auch Schülerin der Travemünder Realschule. Sie machte mit bei Plattdeutschen Sketchen und sang mit bei einer CD Produktion mit einigen plattdeutschen Liedern von Kirsten Frey, aufgenommen in einem Studio in Mölln. Bibiane wurde auch inspiriert im Unterricht in Travemünde und ist jetzt… Lehrerin in Flensburg.
Was würde die Travemünder Schule dieses Jahr zum Weihnachten schenken? Der Orkan Christian schob eine Wiederaufnahme von ´Wintertime´ eine Woche auf. Glücklicher- und zufälligerweise war ich früher abgereist, um die 75 jährige Wiener Schauspielerin Christiane Hörbiger in der St Jacobi Kirche in Lübeck mit meiner Schwester zu sehen. Darum sah ich mit den Schuleltern zwei Vorstellungen von ´Wintertime´. Für Kirsten Frey eine Überraschung und für mich ein Wiedersehen mit 1990. Ihr Spiel im selben Klassenraum, ein andere Cast, andere Möglichkeiten. Aber… dieselbe Begeisterung der Schüler. Zwei Vorstellungen, die erste als ´Generalprobe´ und die zweite als reibungslosverlaufende Aufführung: Schattenspiel, Solos, Tanzen in der Hölle bei dem Teufel, eine Spieldosenpuppe, Maria und Josef, das schreiende Christkind … Mitgespielt haben dabei auch ´Integrationskinder´, wurde mir später gesagt. Integrationskinder? Teuflisch integriert, ich habe sie nicht als Integrationskinder erkannt. Ist das nicht Integration? Ich habe nur begeisterte Schüler gesehen, die Lust am Spiel hatten, jeder auf seine eigene Weise, und ist das nicht das Ziel einer Schülerproduktion.
Ganz unerwartet gab es für mich noch ein Entreakt oder eine ´Vorspeise´: ich wurde von zwei Schülern der fünften Klasse angesprochen! Eine Mini-Fassung von ´Aschenputtel´: Ein großes Kleid, Sätze, Schmink und Kostüme und Sätze wie „Wir sind die hässlichen Schwestern“ oder „Ich bin die gute Fee“, gespielt von ´Goldjungs´ der ´Schule am Meer´: Travestie-rollen zum Lachen, gleich aus der englischen Pantomime-Tradition, organisiert von Frau Gruber und Frau Loest. Klasse! Cool!
´Wintertime´ eine warme Einladung für Weihnachten. Nur Schade, dass ich nachher in den LN, der Möwenpost, dem Wochenspiegel oder der Travemünder Aktuell nichts davon gelesen habe. Es waren zwar keine Superstars wie Christiane Hörbiger oder Herman van Veen, aber muss man nur Stars haben? Es wäre doch auch für die Schule, Lehrer und SCHÜLER super, wenn sie in der Presse im positiven Sinne erwähnt worden wären. Mir und auch den anderen Besuchern haben die Vorstellungen Spaß gebracht, vielleicht den Mitwirkenden noch mehr, und die haben was erlebt, was sie sich über 60 Jahre noch immer erinnern können.